Ballet Neumeier

Pures Chaos. So lässt John Neumeier seine Inszenierung von “Romeo und Julia” eröffnen. Doch wie heißt es so schön: das Genie beherrscht das Chaos. Und genial ist in diesem Fall schon fast untertrieben.

Es ist vor allem das Zusammenwirken von Musik, Choreografie, Kostümen, Kulissen und Tänzern, die schon beim ersten Öffnen des Vorhangs dafür gesorgt haben, dass meine Kinnlade runterklappte.

John Neumeier ist bekannt für viele Ebenen in seinen Stücken und das ist mir heute wieder aufgefallen. Denn eine meiner liebsten Details war eine kleine Schauspielgruppe im Stück, die hin und wieder in der Stadt auftritt. Ihr Stück: “Romeo und Julia”. Doch im Gegensatz zum eigentlich Ende hat die Gruppe ein Happy End. Das ist meiner Meinung nach ein Detail, welches das tragische Ende noch ein bisschen bitterer macht.

Mir wurde vorher gesagt, dass die Hände der Tänzer die wichtigste Funktion haben, da sie die ganze Intensität ins Stück bringen. Dem kann ich aber nachdem was ich gesehen habe nicht zu stimmen. Das was meiner Ansicht nach am meisten Intensität ins Stück gebracht hat waren die Blicke. Sogar ich habe eine Gänsehaut davon bekommen, und ich saß bei weitem nicht in der ersten Reihe. Die Hände der Tänzer hätten an ihren Körper gefesselt sein können und das Stück hätte trotzdem kein bisschen an Intensität verloren.

Ich bin außerdem immer wieder beeindruckt, wie viel Talent in jedem einzelnen Tänzer des Hamburg Ballett steckt. Jede noch so feinste Bewegung war synchron, keine Landung oder Sprung kam auch nur eine Zählzeit zu spät.

Auch nicht zu vergessen ist, dass heute ein Ehrengast in unseren Reihen saß. Und nein, damit meine ich ausnahmsweise mal nicht meine Wenigkeit, sondern der einzig wahre John Neumeier.

Man konnte förmlich spüren, dass die Tänzer heute abend nicht für uns sondern auch für ihn getanzt haben. Und trotzdem haben sie nicht nur ihr eigenes Herz auf die Bühne gebracht, nicht nur das von John Neumeier, aber auch meins. Denn mein Herz war heute Abend mindestens so groß wie die Staatsoper und so voll mit einer Bandbreite von Gefühlen, dass man garnicht mehr weiß wo hin.

Ich bin so unfassbar dankbar für diesen Abend, und vor allem für den WPU-Kulturscouting, der mir dies ermöglicht hat. Ich bin mir sicher John Neumeiers Inszenierung von “Romeo und Julia” ist das Schönste, was meine Augen jemals sehen durften.

Emma Witt (WPU-Kultur 2024/25)

Eine weitere Rezension von Lenda Al-Kahtani